Mächtige, säulenartige Bäume, die im Hintergrund hoch im Wald hinaufragen.

Wer des Öfte­ren Wald­land­schaf­ten durch­streift, lernt die unend­li­chen Farb­nu­an­cen von Grün, Grau und Braun — vor allem jedoch Grün — zu dif­fe­ren­zie­ren. Tat­säch­lich ist das mensch­li­che Auge für Grün­tö­ne beson­ders emp­find­lich — das ist schlicht evo­lu­ti­ons­bio­lo­gisch bedingt, denn wer in Wald und Flur bes­ser sehen konn­te, war bes­ser an den Lebens­raum ange­passt und hat­te einen Vor­teil. Für den ambi­tio­nier­ten Foto­gra­fen eröff­nen sich unend­li­che Wei­ten, wenn es dar­um geht, die­se Nuan­cen ein­zu­fan­gen und in Bil­dern zu ver­mit­teln.

Wald ist mehr als Grün

Man könn­te ein­wer­fen, es gäbe ja auch mehr als bloß die Grund­be­zeich­nung Grün in unse­rem Wort­schatz, wenn es dar­um geht, Baum­wel­ten farb­lich zu beschrei­ben. Da wäre etwa dun­kel­grün, oder blass­grün. Mög­li­cher­wei­se sogar eine krea­ti­ve Kom­bi­na­ti­on: Gelb-Grün! Damit krat­zen wir jedoch nur an der Ober­flä­che eines Eis­ber­ges.

Inner­halb weni­ger Sekun­den kön­nen sich Licht­stim­mung und Farb­pa­let­te in unse­rem Wald­stück kom­plett wan­deln — eine Wol­ke, die sich vor die Son­ne schiebt, oder ein Hügel, der zur fort­ge­schrit­te­nen Stun­de die letz­ten ihrer Strah­len plötz­lich abschirmt.

Wäh­rend in einem Augen­blick noch alles voll war­mer Töne und schar­fer Kon­tra­ste war, mit glei­ßen­den Licht­flecken und tief­dunk­len Schat­ten, ist plötz­lich alles matt und eigen­ar­tig zwei­di­men­sio­nal.

Vor dem Son­nen­auf­gang sind ein­zig Grau­schat­tie­run­gen aus­zu­ma­chen, in die sich lang­sam ein Hauch von Grün mischt, lang­sam aber ste­tig Raum ein­neh­mend, dann, für einen Moment, mit Gold blan­chiert.

Bei Regen zur Mit­tags­stun­de ver­schie­ben sich kräf­ti­ge Far­ben in Rich­tung Pastell, hin­ab­rin­nen­des Was­ser zeich­net schwar­ze Lini­en auf glat­te Stäm­me, und fer­nes Geäst ver­schwimmt zu blas­sen Sche­men.

Die Wald­sze­ne­rie vor dem auf­zie­hen­den Som­mer­ge­wit­ter

Sehr dichter Laubwald voll frischem Grün, alles mit Grauschleier da gewittrig.Die Wet­ter­la­ge bringt cha­rak­te­ri­sti­sche Farb­ge­bun­gen mit sich. Bei schwe­rem, wol­ken­ver­han­ge­nem Him­mel mit Anflü­gen eines Som­mer­ge­wit­ters, ist Grau­grün der Grund­ton.

Vor dem hel­len, bräun­lich-grau­en Hin­ter­grund des Him­mels kann der Blick bis in die höch­sten Kro­nen wan­dern, ohne geblen­det zu wer­den, und die Far­ben in den Baum­wip­feln erken­nen.  Selbst die regel­recht gift­grün erschei­nen­den Blät­ter im Mai sind mit einem fast unmerk­li­chen Schlei­er Grau bedeckt, der an den stein­far­be­nen Stäm­men unmiss­ver­ständ­lich zu Tage tritt, bis schließ­lich die Wol­ken­decke auf­bricht und sich wie­der Braun und Gelb in das Baum­pan­ora­ma mischen.

Wald­fo­to­gra­fie zur blau­en Stun­de — Grün wird zu Blau wird zu Schwarz

Tiefblauer, dichter Wald kurz vor Eintreten absoluter Dunkelheit.Wäh­rend der Son­nen­un­ter­gang bei wol­ken­frei­em Him­mel traum­haf­te, regel­recht mär­chen­haf­te Foto­gra­fien ermög­licht, stets mit rotem Gold auf Blatt und Stamm, steigt mit dem Ver­lö­schen des letz­ten, direk­ten Lich­tes eine ganz neue, eige­ne Stim­mung wie fei­ner Dunst empor. Oliv wird Grau, und Moos zu Tür­kis. Dunk­les Grün wan­delt sich zu tief­blau­en Schat­ten­far­ben, und grau-brau­ne Stäm­me wer­den silb­rig-stahl. Der Dyna­mik­um­fang nimmt ab und die eben noch in Schwär­ze ver­bor­ge­nen Räu­me wer­den sicht­bar, denn die vor­mals direkt beschie­ne­nen Bäu­me hin­dern das Auge nicht mehr dar­an, sich an die dunk­len Berei­che zu gewöh­nen. War die Belich­tungs­zeit des Foto­ap­pa­ra­tes bereits am Tage schon lang, liegt sie nun schnell bei meh­re­ren Sekun­den, denn die Baum­kro­nen schir­men vom hel­len Abend­him­mel ab, und Äste und Blät­ter schlucken das Licht. Nach die­ser Pha­se nimmt die Sicht­bar­keit schnell ab, und Struk­tu­ren und Tex­tu­ren begin­nen im Dun­keln zu ver­schwim­men. 

Der säu­len­ar­ti­ge Hoch­wald

Wäl­der und goti­sche Kir­chen haben unver­kenn­ba­re Gemein­sam­kei­ten, und stel­len zugleich Gegen­po­le dar. Wäh­rend die Säu­len­hal­le des Wal­des aus Holz gewach­sen und orga­nisch bieg­sam ist, ist das Kir­chen­schiff stei­nern — damit nicht nur aus einem har­ten Roh­stoff bestehend, son­dern auch sta­tisch. Die­ser Unter­schied rela­ti­viert sich jedoch bei Wind­stil­le. Hier erscheint die Wald­sze­ne­rie plötz­lich wie eine rie­si­ge Kathe­dra­le, mit star­ken Säu­len, die weit hin­auf­ra­gen und das Gewöl­be bil­den. Eben­so wie die goti­schen Spitz­bö­gen wir­ken sie dabei zwar mäch­tig, aber auch fili­gran und ele­gant — mit eben­mä­ßi­gem, ver­ti­kal auf­stre­ben­dem Lini­en­bild. So wan­del­bar wie die Licht­stim­mung des Wal­des ist auch der Raum der Kathe­dra­le – je nach Tages­zeit und Licht­ein­fall erscheint er in neu­er Gestalt. Bei­de Arten von Raum kön­nen Ruhe brin­gen und die Gedan­ken schwei­fen las­sen, oder hel­fen, sie zu fokus­sie­ren.

Dunkler, säulenartiger Wald mit mächtigen, grauen Baumstämmen, die ein gewölbeartiges Kronendach bilden.

Buchen­hoch­wald auf dem Ett­berg nach Son­nen­un­ter­gang, Göt­tin­ger Wald

Graue, schlanke, hochaufschießende Bündelsäulen mit filigranem, beige-gelbem, gotischem Gewölbe - dabei weiches Licht mit sanften Schatten- und Lichtbereichen.

Die neo­go­ti­sche Oscar-Fre­d­riks-Kir­che in Göte­borg